Darts-Hype hält Einzug in der Region – zwei Osthessen greifen nach den Sternen

Das Interesse an Darts in Deutschland wächst und wächst. Nach Osthessen ist der Hype bereits geschwappt, wie beim 2. Bebraer Dart-Turnier deutlich zu spüren war. Begrölt wurden auch zwei Spieler aus der Region Fulda.
Bebra - 420 Menschen fieberten am Samstag im restlos ausverkauften Bebraer Lokschuppen mit, wie 15 Männer und eine Frau acht Stunden lang Pfeile auf eine Scheibe warfen. Unser Redakteur fragte sich, warum Darts eine solche Faszination auslöst und stattete dem Event einen Besuch ab.
Darts-Hype in Deutschland: Hunderte Fans eskalieren in Bebra
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen ein Fußballspiel und können das Geschehen trotz Eintrittskarte selbst von den besten Plätzen aus nur über eine Leinwand verfolgen. Unvorstellbar? Beim Dartssport die Regel, denn selbst von Plätzen direkt unterhalb der Bühne ist mit bloßem Auge nicht erkennbar, ob der Pfeil nun im so wichtigen Triplefeld steckt oder doch nur ein „Single“ getroffen worden ist.
Und deswegen stand beim 2. Bebraer Dart-Turnier am Samstag in Bebra eine riesige Leinwand, auf der neben den Gesichtern der Spieler das Dartsboard in Großaufnahme eingefangen wurde. Schließlich sollte niemand im frenetischen Publikum verpassen, wenn der Caller – also der Schiedsrichter – in bestem schottischen Akzent eine „Onehundretandeighty“ verkündete und so die Menge zum Brodeln brachte.
„Onehundredandeighty“ – also 180 Punkte – ist die beste Aufnahme, die einem Spieler gelingen kann. Drei Treffer in das Triple-20-Feld. Bis zu 100 erreichte dann die Dezibelskala bei einem solchen 180er und verkomplizierte das Spiel für die allermeisten Akteure am Oche (Lesen Sie auch: Darts-Youngster aus Hessen qualifiziert sich für WM).
Das Oche markiert die 2,37 Meter Abstand zwischen Spieler und Dartsboard. Was wenig klingt, ist in Relation zum nur acht Millimeter breiten Triple-20-Feld riesig. Gute Dartsspieler treffen bei jeder Aufnahme, sprich dem Abwurf von drei Pfeilen, einmal das Triple-20-Feld. Richtig gute in aller Regelmäßigkeit gleich zwei oder sogar drei.
Am Samstag war Florian Hempel der beste. Gleich mit seiner ersten Aufnahme erzielte er 180 Punkte. Der „Köllsche Jung“, so sein Kampfname auf der Tour, war der Star des Abends. Kürzlich noch stand er in der dritten Runde der Darts-WM und belegt aktuell Platz 50 der Weltrangliste.
Video: Dart-WM-Traum ausgeträumt - Clemens scheitert im Halbfinale
Nur Gabriel Clemens (WM-Halbfinalist) und Martin Schindler (WM-Achtelfinalist), die in London beide am späteren Weltmeister Michael Smith scheiterten, sind in Deutschland besser als Hempel. Dabei spielte Hempel bis vor Kurzem noch Handball, stieg erst spät auf den Dartssport um und lebt nun als Profi. Ein Interview mit ihm lesen Sie weiter unten.
Hempel, volksnah und ohne Allüren, gewann das Turnier in Bebra, für das sich Hobbydarter ein ganzes Jahr lang qualifizieren konnten. Einige wenige konnten sich das schenken. Neben Hempel und die vor allem wegen ihrer Kalender und ihres Instagram-Accounts und weniger wegen ihrer sportlichen Leistungen bekannte Sarah Milkowski waren sogar zwei Spieler des Fuldaer Bundesligisten DSC Fulda eingeladen worden.
Männer aus Eichenzell und Schlüchtern kämpfen um Plätze bei PDC-Tour
2022 hatte dieser die hessische Bundesliga im E-Darts gewonnen. Tobias Cyffka aus Schlüchtern-Gundhelm im Kinzigtal und Peter Trapp aus Eichenzell hatten bei der ersten Auflage des Turniers in Bebra vor einem Jahr für Furore gesorgt und das Finale erreicht.
Cyffka gewann im Duell der guten Freunde, diesmal schied er im Viertelfinale aus. „Auf der Bühne zu spielen. Vor solch einem fantastischen Publikum. Das ist außergewöhnlich. Ich war nervös und habe mein Niveau nicht gebracht“, haderte der 34-Jährige mit sich selbst und unterstrich: „Alle, die hier spielen, können Darts spielen.“
Auch Cyffkas Namen grölten die verkleideten Fans, die sich nicht nur dem Darts und der Ballermann-Musik, sondern auch dem Alkohol hingaben. Mit zunehmender Uhrzeit stiegen die Promillezahlen exorbitant, das Finale gegen 2 Uhr nachts schafften längst nicht mehr alle Zuschauer. Und auch nicht das Spiel um Platz drei, das Trapp gewann und für ein versöhnliches Ende sorgte. Er hatte im Halbfinale schon 3:1 geführt, vergab dann mehrere Matchdarts und verlor noch 3:4.
„Der Kopf ging an“, sagte er nachher und spielte auf das neben stundenlangem Training wichtigste Element für erfolgreichen Dartssport an: Die mentale Stärke. Für den 48-Jährigen wird diese wie auch bei Cyffka dieser Tage ein entscheidendes Kriterium. Beide kämpfen in der sogenannten Q-School um die Zulassung für die PDC-Tour. Schafft es einer der beiden, wäre dies eine Premiere für Osthessen.
Q-School
Im nordrhein-westfälischen Kalkmar findet bis Sonntag die Q-School statt. Dort kämpfen 450 Darter um rund 20 freie Tickets für die PDC-Tour. Insgesamt 128 Spieler starten auf der PDC-Tour, den größten Dartsturnieren der Welt. Die Osthessen Tobias Cyffka und Peter Trapp versuchen in Kalkmar ihr Glück.
2. Bebraer Dart-Turnier: Sieger Florian Hempel im Interview
Wie viel mentale Stärke gehört beim Dartsspiel dazu?
Wenn ich es mathematisch ausdrücken muss, sind 80 Prozent mentale Stärke, um sich immer wieder darauf zu fokussieren, den Pfeil in das kleine Feld zu treffen. Vielleicht zehn Prozent sind Training und bei mir höchstens ein Prozent Talent.

Früher Handballprofi, nun Dartsprofi. Wie sehr profitieren Sie vom Handballsport?
Beide Sportarten sind grundverschieden. Handball ist ein Mannschaftssport, bei dem ganz viel über Adrenalin funktioniert – gerade als Torwart. Beim Darts bist du allein und musst ganz ruhig bleiben. Meinen Ruhepuls suche ich manchmal noch.
Kein Sport hat mehr mit dem Klischee „Kneipe“ zu kämpfen. Wie sehen Sie das?
Darts kommt aus der Kneipe – und gehört in die Kneipe. Aber der Weltverband PDC zeigt jetzt schon seit 30 Jahren, das Darts auch hervorragend mit professionellen Strukturen und im TV funktioniert. Beides kann und soll nebeneinander leben.
Gabriel Clemens erreichte bei der WM als erster Deutscher das Halbfinale. Neidisch?
Neid ist da überhaupt nicht angebracht. „Gaga“ ist ein echt guter Bekannter. Ich habe mich riesig mit ihm gefreut und ich bin mir sehr sicher, dass wir alle in Deutschland von seinem Erfolg profitieren. Darts kann jetzt richtig boomen.