Biss ins Gesicht - Fußballspiel im Kreis Fulda eskaliert völlig

Für 18 Monate ist ein Spieler des Süd-Kreisoberligisten SV Welkers vom Schlüchterner Kreissportgericht gesperrt worden. Er hatte am vergangenen Sonntag gleich eine ganze Reihe Tätlichkeiten am Schwebener Gegenspieler Calvin Auth (24) begangen.
Schweben - Das war passiert: Es lief bereits die Nachspielzeit in Schweben (Landkreis Fulda) , als der nun bestrafte Spieler einen Angriff einleitete, den Auth per taktischem Foulspiel unterband. Danach eskalierte die Situationen binnen Sekunden: So soll der Welkerser Auth zunächst mehrere Faustschläge verpasst, ihn dann in den Bauch getreten und abschließend in die Wange gebissen haben. Auth verließ das Feld an der Wange blutend, Schiedsrichter Karsten Schön (Sportfreunde Ostheim) zückte Rot. Das Spiel lief weiter, Schweben brachte den 2:1-Sieg über die Runden.
Bereits am Freitag sprach das Schlüchterner Kreissportgericht das Urteil: Nach nahezu deckungsgleichen Einlassungen von beiden Vereinen und dem Schiedsrichter konnte Einzelrichter Thomas Schilling (SG Schlüchtern) das Urteil schriftlich abfassen und auf ein mündliches Verfahren verzichten. Untergekommen, so sagt Schilling, sei ihm ein solcher Fall bislang nicht.
Fulda: Schläge, Tritte und Biss ins Gesicht - Fußballspiel eskaliert völlig
Zur Festlegung der Strafe legte er Paragraf 25 Nr. 3 der Strafordnung zugrunde. Dank diesem kann in besonders schweren Fällen das Strafmaß ein Jahr überschreiten. Maximal darf ein Spieler drei Jahre gesperrt werden. Schilling legte sich auf 18 Monate Sperre fest. Frühestens im März 2023 darf der Rotsünder wieder im Spielbetrieb gegen den Ball treten. (Lesen Sie hier: 3G-Regel stellt Fußballvereine vor Belastungsprobe - „Irgendwann nicht mehr umsetzbar“)
Mario Lins
Für Schwebens Trainer Mario Lins ist die Aktion unentschuldbar; in fast 30 Jahren aktiver Laufbahn sei ihm nicht eine nur annähernd so heftige Situation untergekommen. Selbst im Fernsehen nicht. Da käme gar Luis Suárez, der mehrfach Gegenspieler ins Ohr biss, noch lammfromm daher.
Nur eines beruhigte Lins ein wenig. Seine Frau und sein fast dreijähriger Sohn waren bereits am Samstag in den Urlaub gereist, Lins fuhr erst am Sonntag nach. „Ein Glück, denn bislang war mein Sohn bei allen Saisonspielen am Sportplatz. Diesmal nicht. Er will immer alles ganz genau wissen und ich weiß nicht, wie ich ihm das hätte erklären können.“
Lins versuchte die Emotionen im Zaun zu halten. Während er seine Mannschaft zum Sieg coachte, versorgte er Calvin Auth und riet ihm, sich doch gleich ins Krankenhaus fahren zu lassen. Denn die Emotionen drohten noch mehr überzukochen, weshalb er lauten Rufen der Zuschauer nach der Polizei den Garaus machte.
Dann aller Voraussicht nach nicht mehr für den SV Welkers. Jürgen Schlag, Abteilungsleiter der Concordia, erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass er den Spieler bereits aus dem Verein ausgeschlossen hat. Für Schlag und den Verein ist der Vorfall unangenehm. „Wir können nicht verstehen, was da passiert ist. Wir können es nicht tolerieren und wir müssen uns davon distanzieren“, sagt Schlag.
Er selbst war kein Augenzeuge des Szenarios – genau wie das Gros des Vorstandteams. Und so musste er sich in den vergangenen Tagen ein Bild über die Vorfälle machen, was ihm schließlich gelang. Sieben Tage vor Fristende reichte er bereits die Stellungnahme beim Sportgericht ein und verhalf so zu einem schnellen Urteil. Und da die Tat eingeräumt wurde, sogar für ein schriftliches Urteil.
Calvin Auth
Am Freitag fand Calvin Auth nach fünf Tagen erstmals ein wenig Frieden. Dass das Sportgericht ohne mündliches Verfahren urteilte, stimmte ihn genauso positiv, wie die Tatsache, dass sich Jürgen Schlag im Namen des SV Welkers persönlich bei ihm entschuldigte. „Zumindest zwischen dem Verein und mir ist die Geschichte zu den Akten gelegt, weil Jürgen Schlag vollstes Verständnis gezeigt und sich aufrichtig entschuldigt hat“, sagte Auth.
Anders ist das Verhältnis zum Täter. Der hat sich bislang nicht gemeldet und ausschließlich nach dem Spiel eine halbgare Entschuldigung zustande gebracht, wie Auth findet: „Man hat regelrecht gemerkt, wie seine Mitspieler ihn dazu gedrängt haben. Er sagte dann ganz lapidar ,sorry‘ und fügte an, dass ich nicht so in den Zweikampf hätte gehen sollen. Das war keine Reue, das hat ihm nicht leidgetan, er wollte mir ja noch die Schuld geben.“
Die Situation selbst realisierte der Fliedener Bankkaufmann erst auf dem Weg ins Krankenhaus so richtig. „Ich war völlig perplex. Ich kam mir vor wie in einem Käfigkampf, bei dem ich mich nicht wehren kann.“ Und so bleibt für ihn die Frage: „Warum gerade ich?“
Schlag bedauert die Vorfälle, am Freitag griff er zum Telefonhörer und entschuldigte sich persönlich bei Auth. Bereits zuvor hatte er im Namen des SV Welkers beim SV Schweben für die Vorfälle Abbite geleistet. Nichts solle in Zukunft zwischen den Clubs stehen, beschwört Schlag.
Nach Biss in Wange: Spieler wird vom Verein SV Welkers ausgeschlossen
Sportrechtlich ist das Verfahren abgeschlossen, wenngleich noch Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden können. Straf- und zivilrechtlich hingegen nicht. Auth zeigte den Übeltäter wegen schwerer Körperverletzung an. Fünf Stunden ließ er sich nach dem Vorfall im Krankenhaus behandeln, festgestellt wurden eine Rippenprellung und ein Schleudertrauma im Halswirbel. Noch immer kann Auth seinen Kopf nicht nach rechts drehen, noch immer ist er krankgeschrieben.
Glück hatte Auth, dass sich die Wange nicht entzündet hat. Der menschliche Speichel ist Überträger allerlei, teilweise gefährlicher Krankheiten. Im schlimmsten Falle kann sich eine Entzündung nahe des Gehirns bilden, die unter anderem die Entfernung der Wange zur Folge haben könnte. Das zumindest ist Auth erspart geblieben, der nach vollständiger Genesung wieder für den SV Schweben auflaufen will.