Heute vor 50 Jahren formten sich die „Olympia-Girls“ - Ex-Hochspringerin Renate Gärtner blickt zurück

Es war vielleicht die größte Sensation der Olympischen Spiele von 1972 in München. Die damals 16-jährige Ulrike Meyfarth gewann die Goldmedaille im Hochsprung. Im Finale dabei war die einzige Olympiateilnehmerin der Region Fulda, die gebürtige Fliedenerin Renate Gärtner.
Schlüchtern/München - Die heute 69-Jährige erinnert sich noch genau, wie Ulrike Meyfarth nach dem Goldsprung auf sie und Ellen Mundinger, die zweite deutsche Teilnehmerin, zugerannt kam und die beiden umarmte. Alle drei freuten sich riesig, konnten es kaum fassen, was am Abend dieses 4. September vor 50 Jahren gerade im Olympiastadion in München geschehen war.
Die Zuschauer tobten, waren außer sich. Eine krasse Außenseiterin hatte gerade mit Weltrekord gewonnen und die große Favoritin Ilona Gusenbauer aus Österreich geschlagen. (Lesen Sie auch: Eine Region im Ausnahmezustand: Als das Olympische Feuer nach Osthessen kam)
Olympia 1972: Diese drei Teilnehmerinnen sind bis heute befreundet
Dieser Wettbewerb und die olympischen Tage, die sie zusammen verbrachten, bildeten das Fundament einer Freundschaft, die seit 50 Jahren hält. Regelmäßig besuchen sich die drei ehemaligen Olympiateilnehmerinnen von München und haben jetzt sogar eine WhatsApp-Gruppe „Olympia-Girls“. Erst kürzlich waren sie zusammen bei den Europa-Meisterschaften im Münchener Olympiastadion, tauschten Erinnerungen aus und verfolgten die Wettkämpfe, just an dem Ort, an dem sie vor 50 Jahren selbst aktiv waren.

Für die damals 19-jährige Renate Gärtner, die in Flieden-Leimenhof geboren wurde und in Fulda ihr Abitur ablegte, war die Olympiateilnahme der größte sportliche Erfolg. Sie wohnte 1972 noch auf dem Leimenhof, startete aber für die SG Schlüchtern. Ihr Trainer war der Fliedener Alfred Wess, der sie entdeckt hatte. Schon vor Olympia hatte Gärtner, die damals noch den Straddle sprang, schöne Erfolge zu verzeichnen, wie den Deutschen Meistertitel, den dritten Platz bei den Junioren-Europa-Meisterschaften und kurz darauf den sechsten Platz bei den Europameisterschaften der Seniorinnen.
„Aber Olympia war etwas Besonderes“, sagt die ehemalige Oberstudienrätin des Ulrich-von-Hutten-Gymnasiums in Schlüchtern rückblickend. „Der Einmarsch in das mit 80.000 Zuschauern gefüllte Stadion, das olympische Flair und die Stimmung im Stadion während des Wettbewerbs, das waren einmalige Erlebnisse im Leben einer Sportlerin, die ich nie vergessen werde “, stellt sie fest.
Zuvor bereiteten sich die drei besten deutschen Hochspringerinnen in Schongau im Allgäu auf den Wettkampf vor. „Die Stimmung war gut, wir hatten viel Spaß“, erinnert sich Gärtner. „Auch während des Wettbewerbs unterstützten wir uns gegenseitig. Es gab kein Konkurrenzdenken.“ Das war wichtig, denn die Trainer durften damals noch nicht von außerhalb Anweisungen geben, wie dies heute der Fall ist. (Lesen Sie auch: Kugelstoßerin Sara Gambetta aus dem Vogelsberg wird bei Olympia Achte - mit neuer Bestleistung)
Video: Olympia 1972 in München - Zahlen, Fakten, Kurioses
Heute wird Renate Gärtner besonders an diesen denkwürdigen 4. September vor 50 Jahren zurückdenken, selbst wenn es für sie „nur“ zu 1,82 reichte. Sie war damit nicht unzufrieden, belegte aufgrund der vielen Fehlversuche Platz 14. Allerdings höhengleich mit der Siebten Deborah Brill aus Kanada.
Nach den Spielen von München kamen noch viele Spitzenplatzierungen dazu. 1973 sprang Gärtner mit 1,84 Meter ihre persönliche Bestleistung und wurde Achte bei der Universiade. Ihre Karriere beendete sie 1976 und konzentrierte sich auf ihr Studium. Heute lebt die dreifache Mutter und siebenfache Oma in Schlüchtern und verfolgt noch die Leichtathletikwettkämpfe und freut sich auf das nächste Wiedersehen mit ihren Olympia-Girls.