Reit-Drama bei Olympia: So ging es Pferd Saint Boy nach dem Wettkampf - Weltverband plant Änderung

Die Szenen des Reit-Dramas bei Olympia 2021 in Tokio sind um die ganze Welt gegangen - im Mittelpunkt standen die deutsche Fünfkämpferin Annika Schleu und Pferd Saint Boy. Während die Besitzer sich nach dem Wettkampf zum Zustand des Pferdes äußerten, zieht der Weltverband drei Monate später Konsequenzen aus dem Skandal.
Update vom 3. November, 8.55 Uhr: Medienberichten zufolge plant der Weltverband des Modernen Fünfkampfes eine große Änderung in der Sportart. Nach dem Reit-Skandal um Annika Schleu steht die Teildisziplin Reiten auf der Kippe und soll wohl abgeschafft werden.
Lesen Sie hier die Erstmeldung vom 11. August, 2021: Tokio/Berlin - Für die Modernen Fünfkämpfer aus Deutschland war Olympia 2021 ein Reinfall. Das Reit-Drama um Annika Schleu und ihr verweigerndes Pferd, Saint Boy, führte zum Olympia-Ausschluss von Bundestrainerin Kim Raisner, die dem Tier mutmaßlich einen Faustschlag verpasst hatte.
Ein Berufsreiter aus Osthessen hat sich zu dem Olympia-Drama um Annika Schleu geäußert: „Mit einer fundierten Ausbildung, wie wir sie als Berufsreiter praktizieren und unseren Schützlingen vermitteln, hätte eine solche Situation vermieden werden können. Hier ist auch der Trainerin bei ihrer Ausbildung ein Vorwurf zu machen“, sagte Heinrich Brähler vom RFV Herbstein im Gespräch mit unserer Zeitung.
Olympia 2021 in Tokio: Saint Boys Besitzer äußern sich nach Skandal um Annika Schleu
Das Leih-Pferd, das die Sportlerinnen gemäß Reglement nur 20 Minuten lang kennenlernen können, wollte den Parcours erst nicht betreten und verweigerte beim Springreiten vor Hindernissen. Als die Probleme offensichtlich wurden, brach Annika Schleu in Tränen aus und setzte verzweifelt die Gerte ein. Mit den Worten „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“ war sie dazu - gut hörbar im Fernsehen - von ihrer Trainerin Kim Raisner aufgefordert worden. Raisner gab dem Pferd zudem einen Klaps mit der Faust.
„Ich fühle mich natürlich schon angegriffen, wenn gesagt wird, dass ich unmenschlich bin, wenn Vorwürfe der Tierquälerei geäußert werden. Ich bin nach bestem Gewissen mit dem Pferd umgegangen“, sagte Schleu einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Es war schon klar, dass man etwas konsequenter werden muss, aber ich war zu keiner Zeit grob.“ Im Gespräch mit merkur.de verrät Fünfkämpfer Patrick Dogue, auch er habe Morddrohungen erhalten*.
Auch Raisner wies die Beleidigungen und Anschuldigungen zurück. „Im Nachhinein kann man vielleicht sagen, das war zu harsch. Ich weiß, auch dieser Klaps auf den Hintern, der hätte nicht sein müssen, aber der war nicht doll“, sagte sie gegenüber dpa. „Ich bin weit davon entfernt, Tiere zu quälen. Ich liebe Tiere, ich liebe Pferde, genauso wie Annika. Wir verdreschen unsere Pferde nicht.“ Sie war danach vom Weltverband UIPM von Olympia ausgeschlossen und zuvor bereits vom Deutschen Olympischen Sportbund von ihren Aufgaben in Tokio entbunden worden.
Twitter-User sorgen sich um Saint Boy - Besitzer äußern sich nach Olympia-Skandal
Twitter-User, die die Szenen des Reit-Dramas kommentierten, waren offenbar sehr besorgt um das Pferd. Der Hashtag #SaintBoy schaffte es am Sonntag in die Trends. Ein Tweet einer Zuschauerin, in dem sie den Deutschen Olympischen Sportbund um eine Stellungnahme zum Zustand von Saint Boy bittet, hat große Aufmerksamkeit erregt.
Der Dachverband des modernen Fünfkampfes äußerte sich nun auf Twitter zum Gesundheitszustand des Pferdes. Die Organisation veröffentlichte zwei Fotos und schrieb, dass Saint Boy zurück in seinem Zuhause in der japanischen Präfektur Shiga sei. Den Besitzern zufolge sei Saint Boy bei guter Gesundheit, „wenn auch vom Wettkampf erschöpft“. Veranstalter der Olympischen Spiele hätten den Minakuchi Riding Club zuvor um ein Update gebeten.
Warum es zu den für viele verstörenden und empörenden Szenen mit der weinenden Schleu auf dem offensichtlich verängstigten Saint Boy kam und wie das zukünftig zu verhindern ist, da gehen die Meinungen aber auch mit etwas Abstand auseinander. Selbst der deutsche Weltverbands-Präsident Klaus Schormann änderte seine Sicht und Einschätzung der Situation. In einer ersten Mitteilung des UIPM lobte er die Exzellenz der eingesetzten Pferde. „Es gibt keine Grundlage für die Sportler, sich zu beschweren“, hieß es.
Video: Kritik nach Fünfkampf-Drama um Schleu - Debatte entbrannt
Nach dem Männer-Wettkampf sah der 75-Jährige die Schuld dann aber beim Tierarzt. „Dieser Veterinär hat absolut versagt“, urteilte er. Schließlich habe Saint Boy bereits bei der Russin Gulnas Gubaidullina drei Mal verweigert. „Wenn ich so etwas sehe, dann darf ich so ein Pferd nicht mehr loslassen“, sagte Schormann. Laut Regelwerk ist erst bei vier Verweigerungen ein Wechsel für nachfolgende Reiterinnen oder Reiter vorgesehen, der Antrag von Raisner auf ein anderes Pferd wurde abgelehnt. „Man darf nicht nur die Regeln sehen. Man muss auch sehen, was zu tun ist. Man muss die Gesundheit des Pferdes schützen und die Athleten. Fairness muss die Nummer eins sein bei allem“, sagte er. (mit dpa-Material) *merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.