Den einzigen Ball des Fußballvereins hatte Vater Leopold Ensgraber seinen Söhnen Karl und Bernhard einst zu Weihnachten geschenkt. Mutter Elisabeth Ensgraber übernahm für den Verein die wöchentlichen Kosten des Schuhmachers für die Ballreparaturen. Kosten entstanden auch für Zugfahrkarten zu den auswärtigen Spielen bei gegnerischen Mannschaften.
Bis zu seinem 17. Lebensjahr (1905) fand Wilhelm selbst in der zweiten Mannschaft keine Verwendung. Seine technischen Fähigkeiten waren zwar erkannt worden, aber er galt als zu wenig angriffsfreudig im Spiel. Freiwillig trainierte Wilhelm daher in der dritten Mannschaft. Als Wilhelm über 18 Jahre alt war, brach aus für ihn unbekannten Gründen eine Palastrevolution aus, welche das Ausscheiden fast aller Spieler der ersten und zweiten Mannschaft zur Folge hatte. Dies führte zu einer radikalen Verjüngung des Teams, wobei sich die neue erste Mannschaft im Wesentlichen aus Spielern der dritten Mannschaft rekrutierte. Wilhelm spielte fortan mit seinem jüngeren Bruder Ernst in der ersten Mannschaft. Wilhelm überzeugte als linker Verteidiger und Nachfolger seines Bruders Karl so sehr, dass man ihn grundsätzlich auf dieser Position beließ. Nur gelegentlich spielte er auch als Mittelstürmer. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges spielte Wilhelm sehr erfolgreich in den ersten Mannschaften von Olympia Darmstadt, Kickers Würzburg und des Berliner SV.
Für die beiden Brüder Wilhelm und Ernst waren die Wochenenden sportlich oft so turbulent, dass ihre Schwestern Barbara und Elisabeth an den Darmstädter Bahnhof kamen, um den kurzen Zugstopp zu nutzen, um die Sportler mit neuen, sauberen Fußballtrikots zu versorgen. Und schon ging es weiter zum nächsten Spiel. Während Wilhelms aktiver Fußballzeit gab es einen ungewöhnlichen Vorfall, den er selbst wie folgt beschrieb: „Einmal allerdings wurde ich wirklich unfair, ohne dass ein Strafstoß gegeben wurde oder gegeben werden konnte, als ich nämlich den eigenen Freund mit voller Absicht nach vorne stieß, damit dieser ein Kopftor erzielte.“
Dr. Wilhelm Ensgraber:
• geboren 1888 in Bad Wimpfen, verstorben 1963 in Fulda
• Studium und Promotion in Nationalökonomie (Würzburg, Berlin)
• beruflich tätig in Plauen, Essen und ab Ende der 1920-er Jahre in Fulda (er führte unter anderem als Syndikus der Handwerkskammer Fulda die doppelte Buchführung ein)
• Talent im Schnitzen (Bei der Kreishandwerkskammer Fulda existiert noch heute seine geschnitzte Truhe, in der bei der festlichen Verleihung der Meisterbriefe die Urkunden aufbewahrt wurden)
• Entlassung im Dritten Reich wegen seiner Weigerung, ein Bild Hitlers in seinem Amtszimmer zu dulden; nach dem Zweiten Weltkrieg als selbstständiger Steuerberater tätig
• verheiratet mit Emmy Kreiter (Abitur, Ausbildung als Kinderkrankenschwester, Klassenkameradin und Freundin seiner Schwester Elisabeth)
• Fünf Kinder: drei Mädchen, zwei Jungen
Diese Fußballidylle wurde durch den Ersten Weltkrieg zerstört: Die Brüder Karl und Ernst starben an ihren Kriegsverletzungen. Auch Wilhelm beendete bald seine aktive Fußballkarriere. Während Wilhelm ab Ende der 1920er Jahre in Fulda lebte, besuchte er unzählige Fußballspiele in Fulda und in der Rhön. (von Mignon Löffler-Ensgraber und Thomas Spengler)