„Vergabe an Katar war falsch“ - FDP-Sportpolitiker kritisiert vor WM-Start die FIFA

Wenn Philipp Hartewig (28) an die Fußball-WM in Katar denkt, will beim sportpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion keine Stimmung aufkommen. Der Abgeordnete aus Sachsen war zu Besuch in der Redaktion der Fuldaer Zeitung.
Sie sind begeisterter Fußballer, spielen sogar für die Bundestagsmannschaft ...
... mit der wir erst kürzlich die EM der Parlamentarier in Lahti gewonnen haben ...
... bei der Sie gegen Österreich sogar ein Tor geschossen haben. Wie sind Ihre Gefühle mit Blick auf die WM?
Ich habe erschrocken festgestellt, dass es ja schon am Sonntag losgeht. Eine WM-Euphorie will bei mir aber nicht aufkommen.
Schauen Sie sich denn die Spiele an?
Am Sonntag bin ich während des Eröffnungsspiels verabredet, die deutschen Spiele möchte ich aber schon sehen.
Die Haltung von Ihnen und der FDP zum Ausrichter Katar ist unmissverständlich.
Absolut! Die Vergabe und die Umstände, die dazu führten, waren falsch. Das provoziert schon Zweifel an der FIFA, wenngleich da seitdem ein bisschen was passiert ist.
WM 2022: FDP-Sportpolitiker übt Kritik - „Die Vergabe an Katar war falsch“
In Katar ist ja auch einiges passiert.
Leider sehr viel. Einiges war absehbar. Die schockierenden Aussagen zu Homosexualität zeigen, dass Katar noch einen langen Weg vor sich hat.
Ist denn alles schlecht?
Wir müssen das differenziert betrachten und die Verbesserungen anerkennen. Denn es hat sich was getan. Davon konnte ich mich kürzlich selbst mit einer Delegation der Innenministerin Nancy Faeser überzeugen. Positiv muss verbucht werden, dass wir mit Katar reden können, wenngleich natürlich viele Themen wie Gleichberechtigung und Homosexualität weiter angesprochen werden müssen. Wir haben vor Ort Sicherheitsgarantien eingefordert und Zusagen erhalten. Das war ein großer Schritt für Katar. Deshalb war das durchaus eine erfolgreiche Reise.
Wie war denn Ihr Eindruck vor Ort?
Einiges ist noch gar nicht fertig, Fußgängerampeln nicht in Betrieb. Da frage ich mich: Gab es dort vor der WM überhaupt Fußgänger? Und wird es welche danach geben?
Darf eine WM überhaupt an so ein Land vergeben werden?
Das möchte ich nicht grundsätzlich ausschließen, denn überall sollte ein Veränderungsprozess zum Positiven rund um eine WM möglich sein. Aber ein fußballaffines Land als Gastgeber liegt natürlich eher auf der Hand.
Was muss denn zukünftig beachtet werden?
Mit der Vergabe wird ein Vertrag geschlossen. Darin ist alles geklärt – Nachverhandeln ausgeschlossen. Das alles muss in einen Prozess eingebunden werden, der Veränderungen ermöglicht. Das IOC ist da schon ein gutes Stück weiter als die FIFA.
Wir wissen seit Jahren von den Arbeitsbedingungen und den Toten, aber richtig laut ist der Aufschrei erst jetzt kurz vor dem Anpfiff.
Diese Öffentlichkeit kommt spät. Wir müssen von der FIFA den Entschädigungsfonds einfordern. Der Weltverband muss endlich signalisieren, dass er bereit ist, sich zu bewegen. Und wir müssten unseren Blick auf Mexiko richten, wo uns 2026 auch Probleme erwarten. Jetzt können wir noch Einfluss nehmen.
Video: Deutsche Sportbars im Katar-Dilemma: WM-Boykott oder nicht?
Themenwechsel: Die Sportler sind angehalten, in Hallen und Vereinsheimen kalt zu duschen.
Ein völlig falsches Zeichen, weil das das Problem nur verlagert: Der Energieverbrauch wird aus der Halle nach Hause verlagert. Der Sport hatte schon unter Corona zu leiden. Jetzt trifft es ihn schon wieder. Es war ein großer Fehler, den Sport während Corona nicht zu privilegieren. Das darf uns jetzt nicht noch mal passieren. Denn der Sport erfüllt nun mal besondere Funktionen, was Gesundheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt angeht. (Lesen Sie hier: RTL zeigt unbefriedigende Dusch-Situation bei den Fußballern in Großenlüder)
Aber es steht doch außer Frage, dass Energie gespart werden muss. Wo will die FDP denn sparen?
Die Vereine sparen aus ihrem ureigenem Interesse. Sie gehen verantwortungsvoll mit Geld und Ressourcen um. Deshalb darf es keine Abstriche beim „Ob“ geben. Aber es ist klar, dass Einsparpotenzial genutzt werden muss. Ich bin vorsichtig, was generelle Lösungen angeht. Wir dürfen mit Einzelmaßnahmen gerade die fortschrittlichen und sparsamen Vereine nicht zusätzlich belasten. (Von Laurenz Hiob und Johannes Götze)