1. Fuldaer Zeitung
  2. Sport
  3. Lokalsport

Kontroverse Fußball-WM in Katar: Diskussionsteilnehmer sprechen sich gegen Boykott aus

Erstellt:

Diskutierten (von links): Sylvia Schenk, Szymon Mazur, Ronny Blaschke und Hagen Triesch.
Diskutierten (von links): Sylvia Schenk, Szymon Mazur, Ronny Blaschke und Hagen Triesch. © Paul Schmitt

Wohl kaum eine WM-Vergabe bisher wird so kontrovers diskutiert wie jene an Katar vor zwölf Jahren. Dies geschah auch während einer von Szymon Mazur im Bürgerzentrum Ziehers Süd geleiteten Podiumsdiskussion zum Thema „Menschenrechte und Sport am Beispiel der Fußball-WM in Katar“.

Fulda - Sylvia Schenk, Olympiateilnehmerin von 1972 (800-Meter-Lauf) und Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International, sowie Ronny Blaschke, freier Sportjournalist und Buchautor, sprachen sich gegen einen Boykott aus. Hagen Triesch, stellvertretender Vorsitzender des Sportkreises Fulda/Hünfeld, stellte den Bezug zum Amateursport her.

„Nachdem Katar den Zuschlag erhalten hatte, hätten bei den Menschenrechtsorganisationen die Sektkorken knallen müssen. Denn fortan lag das Spotlight eben genau auf Katar. Und es hat sich im Vergleich zu vor zwölf Jahren auch schon sehr viel bei den Arbeitsbedingungen verbessert, was nicht heißen soll, dass es kein Verbesserungspotenzial mehr gibt“, befand Schenk und ermunterte dazu, „sich mit gutem Gewissen die WM zu anzuschauen.“

WM in Katar: Diskussionsteilnehmer in Fulda sprechen sich gegen Boykott aus

Blaschke nannte Fakten: „Katar hat in den westlichen Ländern rund 350 Milliarden Euro investiert, hält Anteile von VW, Credit Suisse, der Deutschen Bank, um nur einige zu nennen. Die Deutsche Bahn ist am Bau eines milliardenschweren Schienenverkehrsnetzes beteiligt. Und auch der deutsche Mittelstand möchte Waren nach Katar verkaufen. Wenn man Katar boykottieren würde, müsste man den gesamten globalisierten Sport boykottieren.“

Hagen Triesch verwies darauf, dass auch die Utensilien der heimischen Amateur-Fußballer wie Ball, Trikot, Hose und Schuhe in Ländern wie China, Taiwan oder Indien gefertigt werden, wo die Arbeitsbedingungen ebenso nicht den hiesigen Standards entsprächen: „Den absolut Fußballverrückten ist es sicherlich egal, wann und wo gespielt wird. Oft fehlt aber das nötige Hintergrundwissen, das auf Veranstaltungen wie dieser vermittelt wird. Man erhält ein anderes Meinungsbild.“

Blaschke würde es begrüßen, wenn sich der FC Bayern während seiner alljährlichen Trainingslager in Katar auch die Arbeitsbedingungen der dort lebenden Menschen medienwirksam in Augenschein nehmen würde. (Lesen Sie hier: Pressesprecher-Position beim DFB wird neu besetzt - neuer Posten für Jens Grittner aus Fulda)

Video: Katar: Amnesty International kritisiert: WM-Organisatoren bestätigen Ausbeutung

Kritik übte Schenk insbesondere an zwei großen deutschen Sportorganisationen: „Der Deutsche Olympische Sportbund und der DFB haben es aufgrund interner Querelen in der Vergangenheit versäumt, auf diesem Gebiet eine wichtige Rolle einzunehmen.“ Die FIFA indes werde, so Blaschke, vor allem in Europa so negativ wahr genommen: „In afrikanischen Ländern wie etwa Ruanda hätte man auch einem zweijährigen WM-Zyklus zugestimmt.“

Einige Zuhörer erinnerten an die unter Bezugnahme auf den britischen „Guardian“ kolportierten Zahlen von 6500 beziehungsweise 15.000 Toten innerhalb von zehn Jahren. Schenk relativierte jedoch diese Zahlen. Es gehe um Arbeiterinnen und Arbeiter aus einer Vielzahl von Ländern, außerdem nicht nur um Bauarbeiter, sondern etwa auch Hausangestellte. „Das sind 650 beziehungsweise 1500 Tote pro Jahr bei 2,4 Millionen Arbeitsmigranten, wobei jeder Todesfall noch einer zuviel ist.“ Wichtig sei, dass man auch nach der WM die Situation der Menschen dort im Auge behalte. (rd)

Auch interessant