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Vorfreude oder Boykott? So stehen Fußball-Fans aus der Region zur WM in Katar

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WM-Spiel Katar
Ab dem 20. November rollt der Ball bei der WM in Katar. © Christian Charisius/dpa/dpa-tmn

Nie hat eine Fußball-Weltmeisterschaft die Massen so gespalten wie vor dem anstehenden Turnier in Katar. Wir haben uns bei Fußball-Persönlichkeiten aus der Region umgehört, wie sie zur umstrittenen WM stehen.

Markus Pflanz, VV St. Truiden

„Deutschland, weil ich es will“, gibt Markus Pflanz ganz „patriotisch“ seinen WM-Tipp ab und wird die Spiele schauen: „Der Fehler, die WM nach Katar zu vergeben, wurde vor zwölf Jahren begangen. Damals gab es nur einen kleinen Aufschrei, obwohl alle Probleme bekannt waren. Auch andere Vergaben waren wegen fehlender Nachhaltigkeit ein Witz. Dies darf aber nicht auf dem Rücken der Spieler ausgetragen werden, die sich Träume erfüllen. Außerdem sollte man einige Dinge relativieren, weil wir die mitteleuropäische Brille aufsetzen.“

Pflanz, Co-Trainer des belgischen Erstligisten St. Truiden, wird am Mittwoch genau hinschauen: Bei Deutschlands Auftakt gegen Japan könnte „sein“ Keeper Daniel Schmidt Japans Tor hüten: „Ich hoffe, dass er ein super Spiel macht und Deutschland gewinnt.“ Anschauen wird er sich das Spiel mit dem Trainerteam, Public Viewing vermisst er nicht. Den Belgiern traut der Langenschwärzer nicht viel zu, „weil eine nationale Identität fehlt, unter anderem durch eine fehlende einheitliche Sprache“.

WM in Katar: Vorfreude oder Boykott? So stehen Fußball-Fans zum Turnier

Mike Gaul, SG Schlüchtern

Der Trainer von Gruppenligist SG Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) freut sich auf die Weltmeisterschaft: „Für mich zählt der Sport, das Drumherum blende ich in den 90 Minuten aus“, sagt Mike Gaul, für den ein Boykott einer Nation oder einzelner Spieler zu spät käme: „Für die Spieler ist es ein mega Erlebnis, auf das sie vier Jahre hinarbeiten. Das Kind der Vergabe ist schon vor vielen Jahren in den Brunnen gefallen.“ Der 55-Jährige glaubt, dass die deutsche Mannschaft gute Chancen hat: „Unter die letzten vier könnten wir kommen. Und wenn man im Halbfinale steht, kann alles passieren.“

Christopher Schaus, Eintracht-Fan

„Nicht eine Einschaltquote bekommt dieser korrupte Laden der FIFA während der WM von mir“, sagt Christopher Schaus, der die Ergebnisse maximal in der Zeitung verfolgen wird und die für ihn fußballfreie Zeit mit seiner Familie verbringen möchte. Der 42-jährige Eintracht-Fan und Chef des Fuldaer Fanshops führt für seinen Boykott-Entschluss alle möglichen Gründe an: „Fußball steht für Vielfalt und Offenheit. Werte, die in Katar mit Füßen getreten werden. Ich weiß gar nicht, ob Frauen dort überhaupt Rechte haben. Und über Themen wie Energie, Auf- und Rückbau der Stadien und die zahlreichen Toten brauchen wir gar nicht zu sprechen.“

Schaus wünsche sich für zukünftige Weltmeisterschaften ausschließlich Länder, die einerseits Fußballaffinität in sich tragen und andererseits über entsprechende Infrastruktur verfügen. Den Titel wünscht er Deutschland, „weil dort mit Mario Götze und Kevin Trapp zwei Frankfurter vertreten sind. Für die Spieler tut es mir leid, dass sie dort und nicht an einem vernünftigen Ort spielen.“ (Lesen Sie hier: „Vergabe an Katar war falsch“ - FDP-Sportpolitiker kritisiert vor WM-Start die FIFA)

Gianni Leonangeli, TSV Pilgerzell

Entspannter als normalerweise wird Gianni Leonangeli die Weltmeisterschaft in Katar verfolgen. Was aber weniger mit dem Gastgeberland, sondern dem Fehlen der italienischen Mannschaft zu tun hat. „Dass Italien nicht dabei ist, ist eine riesige Enttäuschung. Zumal es unsere zweite WM hintereinander ist, die wir verpassen und ich uns relativ hoch eingeschätzt hätte“, sagt der Deutsch-Italiener, der dem amtierenden Europameister trotz der verpassten Qualifikation eine gute Entwicklung bescheinigt.

Verfolgen wird das Pilgerzeller Vorstandsmitglied die WM trotzdem – und besonders auf Deutschland blicken: „Die Mannschaft muss nach der letzten Weltmeisterschaft etwas gutmachen“, weiß Leonangeli, der Argentinien, Brasilien und Spanien als Favoriten auf dem Zettel hat. Den großen Hype um mögliche Boykotte versteht Leonangeli derweil nicht: „Dafür ist es jetzt eh zu spät. Aber dass man hier Energie sparen muss und dort die Stadien runtergekühlt werden – das passt nicht in diese Welt.“

Video: Katar: Deutscher Olympischer Sportbund kritisiert WM-Vergabe

Francisco Martinez, SV Großenlüder

WM-Stimmung mag bei Francisco Martinez nicht aufkommen. „Eine WM stellt man sich anders vor. Aber die deutsche Gruppe mit Spanien werde ich mir anschauen. Alle Spiele nicht, dafür ist die Vorfreude nicht da“, so der Trainer des SV Großenlüder. Einen Boykott von Spielern hätte er für wenig zielführend empfunden: „Wenn das ein Schlotterbeck getan hätte, würde niemand mitmachen. Dann hätten es die Superstars wie Messi oder Ronaldo machen müssen. Aber den Spielern kann man keinen Vorwurf machen, da müssen die Verbände vorpreschen.“ Sein Heimatland Spanien zählt er nicht zu den Favoriten.

Timo Lübeck, Bürgermeister Haunetal

„Solche sportlichen Großereignisse sollten in Ländern stattfinden, in denen dann auch die ganze Welt tolerant und offen willkommen geheißen wird. Zuletzt Russland und jetzt Katar werden diesen Kriterien nicht gerecht“, betont Timo Lübeck, der Bürgermeister der Marktgemeinde Haunetal und im sportlichen Führungsteam der SG Haunetal ist. Protest an den Rahmenbedingungen der WM erwartet Lübeck aus der Politik und von den Funktionären: „Ich finde es immer schwierig, wenn von den Athleten erwartet wird, dass sie sich deutlicher zu den Zuständen im Gastgeberland äußern sollen, als dies etwa die Bundesregierung tut. Die Jungs sollten sich auf den Sport konzentrieren dürfen.“

Lübeck wird sich die Spiele der DFB-Elf anschauen, WM-Stimmung reift aber noch nicht: „Ich habe Verständnis für jeden, der von dieser WM nichts wissen will. Umgekehrt sollte man aber auch den Fans, die sich darauf freuen, kein schlechtes Gewissen machen. Von ihnen hat sich niemand das Datum und schon gar nicht den Gastgeber ausgedacht.“

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