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„Wir haben Hass und Gewalt erlebt“: Polizist Alexander Glunz über die Herausforderungen im Dannenröder Forst

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Von: Daniela Petersen

Polizisten aus ganz Deutschland waren zehn Wochen im Dannenröder Forst im Einsatz, um Baumhäuser und andere Aufbauten von Gegnern des A-49-Ausbaus zu räumen. Alexander Glunz (44) vom Vorstand der Deutschen Polizei-Gewerkschaft Hessen erklärt, vor welchen Herausforderungen die Einsatzkräfte standen. 

Das letzte Camp im Dannenröder Forst wurde am Dienstag geräumt. Der Einsatz war für die Polizisten sicher kräftezehrend. Wie bewerten Sie die vergangenen Wochen?

Eine solche Einsatzlage hat die hessische Polizei seit Jahrzehnten nicht gehabt. An Spitzentagen waren bis zu 2000 Polizisten vor Ort. Von der Personenintensität her ist es vergleichbar mit dem Projekt „Startbahn West“, das auch in der Kritik stand. 

Was war die Herausforderung im Dannenröder Forst?

Einsätze beim G-20-Gipfel oder bei den Maikrawallen sind zeitlich begrenzt. Beim Dannenröder Forst war das nicht der Fall. Hier wussten wir nicht, wie lange es dauert. Und es ist ja auch noch nicht vorbei. Kollegen der hessischen Polizei werden auch in den nächsten Wochen – auch über Weihnachten und im neuen Jahr – vor Ort sein müssen. Darüber hinaus sah sich die Polizei einer massiven Gewalt ausgesetzt. 

Wie äußerte sich das?

Wir haben dort Hass und Gewalt erlebt. Und der Hass hat sich mit der Zeit auch verstärkt. Ich war vor Ort und bin zu den Ausbaugegnern gegangen, um mit ihnen zu sprechen. Ich bin angeschrien worden, und sie sind mit Schaufeln hinter mir her. Ich wurde regelrecht vom Hof gejagt und hatte Angst um meine Gesundheit und körperliche Unversehrtheit. Es gab Kollegen, die sind mit Steinen, Feuerwerkskörpern, Farbbeuteln und Fäkalien beworfen worden. Das hat mit Protest nichts zu tun. Auch Zwillen und Stahlkugeln wurden eingesetzt, solche Geschosse können Autoscheiben zerstören. Ein Polizeiauto wurde in einer Nacht angegriffen. Nur durch Glück wurde dabei niemand schwer verletzt. 

Alexander Glunz vom Vorstand der Deutschen Polizei-Gewerkschaft Hessen.
Alexander Glunz vom Vorstand der Deutschen Polizei-Gewerkschaft Hessen. © privat

Die Polizei hat einige Aktivisten festgenommen. Wo kamen diese Personen hin und welche Konsequenzen hatte ihr Handeln?

Das kommt drauf an. Der Festgenommene kam an einen zentralen Punkt zur Polizeidienststelle nach Gießen oder Frankfurt, wo seine Identität überprüft wurde. Dort konnte sich derjenige auch zu den Vorwürfen äußern. Einige wenige kamen in Untersuchungshaft. Es steht beispielsweise in einem Fall der Vorwurf der versuchten Tötung im Raum. Die meisten wurden anschließend wieder freigelassen. Viele haben wir kurz darauf wieder getroffen.

Wie das? 

Ein Kollege hat mir zum Beispiel erzählt, dass er einen Aktivisten zum Beginn seiner Nachtschicht, etwa um 17 Uhr, festgenommen hatte. Am nächsten Morgen, nach seiner Schicht, sah er ihn am Bahnhof wieder. Da war er schon wieder frei und direkt auf dem Weg zurück zum Dannenröder Forst. Da fragt man sich als Polizist schon: Was mache ich hier eigentlich? Das ist eine Sisyphosarbeit. 

Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden?

Eigentlich müssten die Festgenommenen so lange in U-Haft bleiben, bis die Verfahren durchgeführt worden sind oder es ein Urteil gibt. Es ist aber illusorisch zu glauben, dass die Strafe auf dem Fuß folgt. Das müsste aber passieren. Die Gerichte müssten schnell urteilen, damit das auch eine abschreckende Wirkung hat. Es müsste klar sein: Wenn ich die Polizei mit Fäkalien bewerfe, dann muss ich mit dieser oder jener Strafe rechnen. Ein hartes Durchgreifen vonseiten der Justiz wäre nötig. Es müssen die Folgen des Handelns erkennbar sein. Ich würde mir auch mehr Rückhalt und Unterstützung aus der Politik und aus der Bevölkerung wünschen, wir setzen eine rechtsstaatliche Maßnahme um, die demokratisch beschlossen wurde.

Wie schätzen Sie die Aktivisten ein? Wer ist das?

Ich würde viele dem linken Spektrum zuordnen. Und ich gehe auch davon aus, dass einige keiner regulären Arbeit nachgehen, sonst könnten sie nicht Tag und Nacht im Wald sein. Wir haben zudem beobachtet, dass die Aktivisten Zulauf aus dem Ausland und aus anderen Bundesländern hatten. 

Viele Aktivisten haben ihre Identität nicht preisgegeben. In 1000 Fällen konnte diese nicht festgestellt werden. Was heißt das für die Polizeiarbeit?

Das ist eine Herausforderung. Die Aktivisten haben sich die Fingerkuppen verklebt. In Deutschland gilt das Vermummungsverbot, man muss erkennbar sein. Wenn sich jemand nur mit Nummern oder Vornamen benennt und seine Identität verschleiert, dann steht man meiner Meinung nach nicht persönlich für eine Haltung ein, sondern tut etwas, was Kriminelle machen. Mir drängt sich da ein Eindruck auf: Es geht dabei nicht darum, eine Meinung zu vertreten, sondern darum, Krawall zu machen. Bei den Aktivisten sind Gewalttäter dabei. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Demonstranten von diesen Leuten distanzieren würden. 

Es gab auf beiden Seiten Verletzte. Kritiker sprechen von Polizeigewalt. 

Davon kann keine Rede sein. Ich kann zwar nicht für alle 2000 Kollegen sprechen, aber es wird versucht, möglichst deeskalierend vorzugehen. Nur wenn Reden nicht mehr wirken, kommt es zu Zwangsmaßnahmen.

Einsatzkräfte der Polizei haben einen Aktivisten im Dannenröder Forst umstellt, der auf einem Raupenfahrzeug sitzt.
Einsatzkräfte der Polizei haben einen Aktivisten umstellt, der auf einem Raupenfahrzeug sitzt. © Andreas Arnold/dpa

Zwangsmaßnahmen mit Polizeiknüppel, Wasserwerfer und Pfefferspray.

Die Polizei hält sich an rechtliche Grundlagen. Die Störer werden mehrfach aufgefordert, es wird ihnen die Konsequenz angedroht, erst dann wird das mildeste effektivste Mittel eingesetzt – zum Beispiel, dass sie vom Baum heruntergeholt werden. Wenn das nicht hilft, kommt ein härteres Mittel zum Einsatz. 

Wenn 2000 Polizisten jeden Tag im Dannenröder Forst sind, bleibt da nicht jede Menge Ermittlungsarbeit liegen?

Der tägliche Dienst, also die polizeilichen Aufgaben in der Fläche wie die Aufnahme von Unfällen oder Familienstreitigkeiten wurden erfüllt, allerdings nur, weil die Kollegen Überstunden gemacht und extremes Engagement gezeigt haben. Seit Jahrzehnten kritisieren wir den Personalmangel und dass zu Zeiten von Roland Koch in der hessischen Polizei über 1000 Stellen abgebaut wurden. 

Seit drei Jahren wird bei der Polizei aber doch aufgestockt.

Ja, das ist auch ein richtiger Schritt. Wir sind da auf einem guten Weg. Es bringt aber nichts, wenn mehr Personal eingestellt wird, die Polizei aber gleichzeitig auch mehr Aufgaben bekommt. Die hessische Polizei schiebt jetzt schon einen Berg von drei Millionen Überstunden vor sich her. 

Auch in Fulda auf dem Uniplatz hat eine Kundgebung gegen die Rodung des Dannenröder Forsts und den Ausbau der A49 stattgefunden.
Auch in Fulda auf dem Uniplatz hat eine Kundgebung gegen die Rodung des Dannenröder Forsts und den Ausbau der A49 stattgefunden. © Alina Hoßfeld

Durch den Einsatz im Dannenröder Forst sind es sicher nicht weniger geworden. Was halten Sie von den Protesten generell?

Es ist in Deutschland jedem gestattet zu protestieren, das wird von der Polizei geachtet, dieses Recht wird geschützt. Wir haben im Dannenröder Forst jede friedliche Protestmaßnahme erlaubt. Viele meiner Kollegen sagen auch, dass man eine Verkehrswende nicht mit weiteren Autobahnen erreicht. Aber es ist eine Maßnahme, die entschieden wurde. Die Polizei ist hier der falsche Gegner. Kritiker müssten eher vor dem Verkehrsministerium protestieren.

Was kostet dieser Einsatz?

Das lässt sich noch nicht beziffern. Die Polizisten, die vor Ort waren, mussten verköstigt werden, teilweise wurden sie in umliegenden Hotels untergebracht, Benzinkosten, Überstunden, Nachtzuschläge. Da kommt einiges zusammen. 

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