„Energie ist mittlerweile die Hauptzutat“: Bäckereien kämpfen mit steigenden Kosten
Fachkräftemangel, steigende Energiepreise und ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde machen auch Traditionsbäckereien das Handwerk immer schwerer. Der Vogelsberger Bäckermeister Michael Karl sieht für die Zukunft seines Betriebs schwarz.
Storndorf - Die Auswirkungen von Bundes-, Europa-, und Weltpolitik spüre Bäckermeister Michael Karl aus dem Vogelsberg sehr stark: „Der Arbeitspreis für die Kilowattstunde Strom wird sich zum Jahreswechsel versiebenfachen. In unserem Brot ist ‚Energie‘ mittlerweile die wesentliche Hauptzutat“. In den vergangenen Jahren habe er seine Bäckerei immer wieder neu ausrichten müssen.
Energiekrise und Inflation: Bäckereien kämpfen mit steigenden Kosten
Zwischenzeitlich mit 18 Mitarbeitern, beschickt er aktuell mit drei Mitarbeitern und einer Aushilfe eine geringere Anzahl von Märkten – überwiegend im Rhein-Main-Gebiet – und verkauft seine Erzeugnisse im Dorfladen in Storndorf und in Köddingen. Seine Spezialitäten sind Brote, vom „Vogelsberger Riesen“ mit acht Kilo, über Bauernbrote sowie Kartoffelbrote, bis hin zu Brötchenspezialitäten.

„Das sind herausfordernde Zeiten für das Handwerk – insbesondere für das Bäckerhandwerk. Fachkräftemangel, Konkurrenz zur Industrie und Rohstoff- und Energiepreise, die sehr sensibel auf globale Entwicklungen reagieren, schlagen auch hier voll durch“, sagt Dr. Jens Mischak (CDU).
Der Erster Kreisbeigeordnete des Vogelsbergkreises und Michael Busold, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vogelsberg, haben die Bäckerei Karl in Storndorf besucht (lesen Sie auch hier: Hohe Energiepreise: Traditionsbäckerei muss nach 90 Jahren schließen – „Macht einfach nur traurig“).
Trotz all der positiven Rückmeldung, die Bäckermeister Michael Karl für seine handwerklichen Erzeugnisse in der Region und darüber hinaus bekomme, zeichnet er ein düsteres Bild der Zukunft seiner Bäckerei, die 1898 von seinem Urgroßvater gegründet wurde. (Lesen Sie auch: RhönEnergie erhöht Abschläge: Gas rund 71 Prozent teurer als im vergangenen Winter)
Mehr als 300 Stunden arbeite er im Monat. Ohne sich selbst Lohn auszuzahlen, wie er betont, subventioniere er so den Betrieb. Und trotzdem seien die finanziellen Lasten nicht zu stemmen. „Durchschnittlich sind die Kosten für die Zutaten, die wir verarbeiten um 80 Prozent gestiegen“, führt der Bäckermeister aus. Die notgedrungene Umlage auf die Kunden äußerte sich in einem Umsatzrückgang.
„Aktuell haben verschiedene Faktoren Auswirkungen auf den Umsatz. Viele Menschen haben Angst davor, was noch passieren könnte, fangen an, das Geld zusammenzuhalten und kaufen ihre Backwaren beim Discounter. Wir konkurrieren außerdem mit industriellen Großbäckereien, wir hatten Urlaubs- und Ferienzeit sowie einen heißen Sommer. Dann essen die Menschen tendenziell weniger Brot“, sagt Karl. Größere Bäckereien könnten vielleicht aufgrund von länger laufenden Lieferverträgen noch die Auswirkungen abfedern, doch „auch da wird sich sicher noch einiges tun“, vermutet er.
Bäckereien in der Krise: Menschen kaufen vermehrt Brot vom Discounter
Weitere Herausforderung für ihn: Der zum 1. Oktober gültige Mindestlohn von 12 Euro brutto je Arbeitsstunde. „Ein Euro pro Arbeitsstunde mehr, bedeuten für mich 2,50 Euro, die ich zusätzlich kalkulieren muss“, führt er aus. Mehr Kaufkraft habe der Arbeitnehmer dadurch allerdings nicht. Denn „von den 2,50 Euro, die ich kalkulieren muss, kommen nur etwa 60 Cent beim Mitarbeiter an. Den Rest kassiert der Staat“, sagt Karl und ergänzt: „Aber gutes Backen kostet eben viel Arbeitszeit.“
Aktuell plane Karl von Monat zu Monat – und spätestens im Dezember werde er die Bäckerei umstrukturieren müssen. Große Investitionen in Wärmetauscher oder neue Backofentechnik sei entweder technisch oder in der Kürze der Zeit nicht umzusetzen. Seine Mitarbeiter jedenfalls könne er dann wahrscheinlich nicht mehr beschäftigen. Das Aus für die Bäckerei in der jetzigen Form. Der Wechsel zwischen Verkaufswagen und Backstube sei noch eine Option. Sicher sei das allerdings auch das noch nicht, sagt der Bäckermeister. (Lesen Sie auch: „Alarmstufe Rot“: Aktion soll auf prekäre Lage an Kliniken aufmerksam machen)

„Einen großen Dank dafür, dass Sie uns trotz der schwierigen Lage für die Traditionsbäckerei einen ehrlichen und realistischen Einblick gewähren“, unterstreicht der Erste Kreisbeigeordnete. Die schwierigen Rahmenbedingungen bringen selbst alteingesessene Lebensmittel-Handwerksbetriebe in existenzielle Not. „Trotzdem hoffen wir, dass Sie einen Weg finden, die Back-Tradition in Storndorf zu erhalten, und auch weiterhin beste Backwaren für Ihre Kunden anbieten zu können“, sagt Jens Mischak. (sob)