Für eine derart detaillierte Auswertung ist es bei den Freiensteinauern noch zu früh. Das berichtet Prokurist Ulrich Höhn, der stellvertretend für Geschäftsführer und Inhaber Oliver Fehl erklärt: „Wir haben jetzt vor drei Wochen den ersten Monat mit der Vier-Tage-Woche abgeschlossen und die ersten Abrechnungen ausgestellt. In den nächsten zwei oder drei Monaten kann man sicherlich die erste Bilanz ziehen.“
Mit der Einführung dieses neuen Arbeitszeitmodells scheint die Geschäftsleitung einen Nerv getroffen zu haben, denn aus der Belegschaft kämen bislang überwiegend positive Rückmeldungen, berichtet Höhn. „Ein paar wenige Zweifler gibt es natürlich immer, aber ein Blick auf die Lohnabrechnungen wird sicherlich überzeugen“, meint er.
Die Wochenarbeitszeit ist von 40 auf 38 Stunden herabgesetzt worden. Viel ändert sich mit der Einführung nicht, vor allem für die Monteure, da freitags sowieso nicht den ganzen Tag gearbeitet wurde und die Fahrzeit zur Arbeitszeit gehört. „Vor allem zu unseren Baustellen im Rhein-Main-Gebiet war die Anfahrt an diesem Tag oft länger als die Arbeitszeit und gerade dort liegt ein betriebswirtschaftlicher Vorteil für das Unternehmen, weil wir so Betriebskosten sparen können“, erklärt Höhn. Die Angestellten in den Büros arbeiten im Wechsel alle zwei Wochen freitags.
Die Einführung soll die Firma vor die Konkurrenz im Blauen Eck und darüber hinaus bringen und als Arbeitgeber attraktiv halten. „Die Vier-Tage-Woche ist jetzt ein großer Trend, den wir nicht verschlafen wollten. Hätten wir nicht reagiert und zehn Jahre gewartet, wäre das kein Alleinstellungsmerkmal mehr gewesen“, erläutert Höhn.
Im Kampf um die Fachkräfte der Zukunft sind die Arbeitszeiten nur ein Baustein im Profil der Firma. So können die Angestellten auf Firmenkosten seit ein paar Jahren E-Bikes leasen oder in ausgewählten Fitnessstudios der Region trainieren – solange sie eine gewisse Anzahl an Stunden vorweisen können. Für Mitarbeiter mit jungen Familien gibt es sogar einen Kindergarten-Zuschuss.
Die Vier-Tage-Woche wird in verschiedenen Ländern und Bereichen praktiziert. So testet beispielsweise das Land Sachsen-Anhalt an ausgewählten Schulen die Viertagewoche im aktuellen Schuljahr. Wie der MDR berichtet, soll damit unter anderem der Lehrermangel abgefangen werden.
In der Sendung „hart aber fair“ am vergangenen Montag berichtete Malermeisterin Jessica Hansen aus Schleswig-Holstein von einem Plus bei den Bewerbungen, nachdem sie die Vier-Tage-Woche eingeführt hatte. Auch Start-Up-Investor Frank Thelen lobte darauf das Vier-Tage-Modell, als „ein ganz tolles Modell“, das die Zukunft aufzeige.
In unseren Nachbarländern Belgien und Schweiz gilt die Vier-Tage-Woche landesweit als Arbeitszeitmodell genau wie in Island. In Großbritannien hat die Labour-Partei die Vier-Tage-Woche als politisches Ziel aufgenommen.
Doch das Modell ist kein ganz Neues. In der Vergangenheit arbeitete die Commerzbank (ab 2002) an der Einführung der Vier-Tage-Woche und bei VW in Baunatal wurde die Vier-Tage-Woche bis ins Jahr 1994 sogar praktiziert.
Für die Freiensteinauer Firma sind diese Ausgaben lohnend, denn sie gehört zu denen, die „einen regen Zustrom an Azubis haben. Allein im laufenden Geschäftsjahr sind es bis jetzt schon zehn neue Auszubildende“, erklärt Fehl.
Auch das Unternehmen Woco aus dem Main-Kinzig-Kreis hat die Vier-Tage-Woche eingeführt. Das Ziel: einen umfangreichen Personalabbau vermeiden.