Wurde Hut Wegener zu Grabe getragen? Verdacht auf Firmenbestattung im Insolvenzverfahren

Das Drama um den Lauterbacher Huthersteller R. & M. Wegener geht in die nächste Runde. Nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens kommt nun tatsächlich die Gießener Staatsanwaltschaft ins Spiel.
Lauterbach - Schon kurz nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über die Lauterbacher Firma R. & M. Wegener hatte der vorläufige Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Tim Schneider aus Gießen, prophezeit: „Es würde mich nicht wundern, wenn hier irgendwann auch die Staatsanwaltschaft ins Spiel käme.“
Das ist jetzt in dem Verfahren, das laut Schneider das „zweifelhafte Prädikat außergewöhnlich verdient hat“, geschehen. Eingeschaltet wurde die Staatsanwaltschaft durch das zuständige Insolvenzgericht in Gießen, denn der im Frühjahr eingestiegene Investor, Daniel Stanislav Wlodarczak, bleibt weiterhin verschwunden.
Vogelsberg: Firmenbestattung? Drama um Hutfabrik Wegener geht weiter
Der Rechtsanwalt steht mit Blick auf die Insolvenzmasse weiter vor Rätseln. Aufgrund der spärlichen Informationen, die der Jurist bislang zusammengetragen habe, habe die Insolvenzrichterin entschieden, die Ermittlungsbehörde hinzuzuziehen. Das habe sie ihm mitgeteilt, berichtet dieser gegenüber unserer Zeitung. Ob Ermittlungen aufgenommen wurden, wisse er jedoch noch nicht. Eine Bestätigung durch die Staatsanwaltschaft steht noch aus.
Laut Schneider zeichne sich ab, dass eine „illegale Firmenbestattung“ vorliegen könnte. Einerseits verdichten sich die Hinweise darauf, dass es sich bei dem „abgetauchten“ Polen um einen Strohmann handelt, über den R. & M. Wegener in einer sogenannten Firmenbestattung abgewickelt werden sollte. Wlodarczak hatte kurz nach dem Erwerb den Wegener-Firmensitz in die Nähe von Chemnitz verlegt.
Eine Online-Recherche ergibt: Gemeldet sind unter der neuen Adresse des Stammsitzes rund 20 Firmen aus unterschiedlichen Branchen. Die Namen von Geschäftsführern wechseln, mitunter sind für die Firmen in Wirtschaftsdatenbanken negative Geschäftszahlen hinterlegt und bereits die Liquidation oder Löschung vermerkt.
Nacht-und-Nebel-Aktion: Firma in Lauterbach leer geräumt
Für eine Firmenbestattung spricht zudem, dass der einstige Sitz in Lauterbach leer geräumt wurde, samt der verbliebenen Ausstattung und inklusive sämtlicher Unterlagen. Dieses Vorgehen ist vor allem bei illegalen Firmenbestattungen gängige Praxis. Eine solche Nacht-und-Nebel-Aktion sei ihm in den 25 Jahren, in denen er in der Insolvenzverwaltung tätig ist, noch nicht untergekommen, sagt Rechtsanwalt Schneider.
Firmenbestattung
Sogenannte Firmenbestattungen sind kein neuer Trend. Sie dienen als Mittel zur Liquidation eines Unternehmens – zumeist bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder der AG.
Für die Insolvenz wird ein neuer Gesellschafter oder Vorstand berufen sowie der Sitz der Gesellschaft – und somit auch der Gerichtsstand – verlegt. Ziel ist es, dass bisherige Gesellschafter oder Vorstände keine beruflichen oder privaten Konsequenzen – wie Eintragungen bei Auskunfteien und einer Beschädigung der Kreditwürdigkeit – befürchten müssen.
Wenn bei der Firmenbestattung die gesetzlichen Vorschriften wie die Insolvenzantragspflicht eingehalten werden, ist sie laut Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht zu beanstanden.
Wenn jedoch strafrechtlich relevante Praktiken zur Anwendungen kommen – etwa die Einsetzung eines Strohmanns im Ausland, der nicht in der Lage ist, ein Insolvenzverfahren ordnungsgemäß abzuwickeln – spricht man von illegalen Firmenbestattungen. Liegt eine solche vor, geht sie oft einher mit Insolvenzstraftaten wie Verschleppung oder betrügerischem Bankrott. Das Unternehmen, das bestattet werden soll, wird mitunter dann mit der Verlegung des Geschäftssitzes ausgeräumt. Die (gewerblichen) Bestatter nutzen mit der Verlegung des Firmensitzes die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Insolvenzgerichte aus, indem sie das Verfahren noch unter der alten Adresse beantragen. Die Klärung der Zuständigkeiten zieht dann Verzögerungen im Verfahren nach sich.
Illegale Firmenbestattungen führen bei den Gläubigern häufig zu erheblichen Problemen. Der finanzielle Schaden durch Zahlungsausfälle kann in beträchtliche Höhen gehen.
Übernommen hatte Wlodarczak das Lauterbacher Unternehmen im Februar dieses Jahres. Kurz darauf war den rund 50 Mitarbeitern gekündigt worden, Wlodarczak war nicht mehr erreichbar. Die frühere Geschäftsführerin Theresa Wegener, die versucht hatte, den Betrieb durch eine Crowdfunding-Aktion – also eine Art Spendensammlung – zu retten, hatte betont, dieses Vorgehen sei zwischen Investor und der Familie Wegener nicht abgesprochen gewesen. Wegener hatte daraufhin die Firma Wegener 1817 gegründet. Ziel sei es, unter dem traditionsreichen Namen Hüte produzieren zu können, hatte sie damals erklärt.