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Jungjägerin Stefanie Becker: Zum Abschalten auf den Hochsitz

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Von: Redaktion Fuldaer Zeitung

Fotos: Walter Kreuzer
Fotos: Walter Kreuzer

Schlitz - Stefanie Becker verstaut die Flinte und öffnet den Kofferraum. Einen Moment später sitzen Distel und Qualle erwartungsfroh in ihrer Hundebox – und schon geht es los. Die junge Frau geht an diesem kalten Januarmorgen auf die Jagd. Wie sie machen seit Jahren immer mehr junge Frauen den Jagdschein und ziehen los.

Von unserem Redaktionsmitglied Walter Kreuzer

Ziel ist der Wald am Eisenberg südwestlich des Schlitzer Stadtteils Queck. „Das gehört schon zu unserem Revier“, erklärt die 33-Jährige und zeigt auf einen Hochsitz in Sichtweite des ehemaligen Forsthauses Wehnerts. Weiter geht es bis zu einem Wiesental. Dort hält die Jungjägerin an.

So werden die Jägerinnen in den ersten drei Jahren nach der nicht eben einfachen Prüfung für das „Grüne Abitur“ genannt – sofern sie denn bestanden haben. Becker schaffte dies vor zweieinhalb Jahren nach einem Intensivkurs in Göttingen. „Du bist täglich von 9 bis 18 Uhr in der Schule und musst abends den Stoff nachbereiten und dich auf den nächsten Tag vorbereiten“, erzählt die Juristin.

Durch ihren Mann dazu gekommen

Im Gegensatz zu vielen anderen Jägern hat Becker, die als Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes Vogelsberg arbeitet, zur Jagd „keine familiären Berührungspunkte. Ich bin durch Felix dazu gekommen.“ Felix ist ihr Mann. Als Förster gehört die Jagd zu seinem Beruf.

Ins traditionelle Grün der Jägerschaft gekleidet, steigt sie aus, lässt Distel raus und schultert die Flinte. Der junge Deutsch Drahthaar rast über das saftig grüne Gras. Eine Hecke am Ende der Wiese hat es ihm angetan. Offenbar hat er eine Fährte aufgenommen. Becker hat eine Ahnung, was es sein könnte: „Hier sind frische Spuren von Wildschweinen im Gras.“

Reiz der Jagd

Es sind diese Momente, die für sie den Reiz der Jagd ausmachen: „Ich genieße die Arbeit mit dem Hund in der Natur. Nach einem stressigen Arbeitstag raus in die Ruhe und auf einem Hochsitz entspannen. Dann freue ich mich, wenn ich Tiere beobachten kann – so wie neulich einige Mufflons. Das Schießen ist für mich persönlich nicht so wichtig.“

Und dann erzählt sie mit strahlenden Augen von der Blattzeit der Rehe, also deren Paarungszeit im Juli: „Vom Hochsitz aus habe ich unten auf der Wiese einen Einjährigen und eine Dame gesehen. Und der Bock kam hinterher, um die Dame zu beglücken.“

Rehe und Wildschweine geschossen

Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nicht trauen würde, auf das Wild zu schießen. Etwa 15 bis 20 „Stück“, wie es in der Jägersprache heißt, habe sie bislang geschossen.

Überwiegend Rehe, aber auch zwei Wildschweine: „Beim ersten Stück, das ich geschossen habe, war der Adrenalinspiegel ziemlich hoch. Wenn das Tier auf die Wiese tritt, musst du dich ziemlich zusammenreißen, dass du nicht so arg zitterst.“

Die „rote Arbeit“, also das Aufbrechen und Ausnehmen der erlegten Tiere, bereite ihr kein Problem. Das Fleisch ist ein Grund für sie, auf die Jagd zu gehen: „Mehr Bio als Wild geht nicht. Wir nehmen auch regelmäßig, was wir schießen. Daheim in der Truhe haben wir Reh, Schwein und Hirsch, weil es mal was anderes ist. Du schmeckst es einfach.“ Gekocht wird übrigens gemeinsam, wobei „Felix das Fleisch zubereitet und ich mich um die Beilagen kümmere“.

Teures Hobby

Die Jagd sei ein teures Hobby. Die Beckers haben aber „Glück, da wir Begehungsscheine haben. Wir stecken unsere Freizeit hinein.“ Etwa 150 Hochsitze im Revier wollen regelmäßig kontrolliert und freigeschnitten werden. Und das Schwarzwild wird in den Herbst- und Wintermonaten gekirrt. Man merkt jetzt schon, dass sie im Wald wenig haben. Deshalb gehen sie raus aufs Feld.“ Dieses gezielte Anfüttern werde zu Vollmondzeiten gemacht, da es dann nachts hell genug ist, die Wildschweine zu bejagen.

Das dann in der Hoffnung, dass das Tier tödlich getroffen wird und nicht in der Dunkelheit verschwindet. In diesem Fall ist eine Nachsuche nötig. Zu einer solchen wurde auch die Jungjägerin schon gerufen: „Ich habe Distel auf die Schweißfährte angesetzt und bin 300 Meter gelaufen. Da lag dann das Schwein.“

„Von den Älteren wird man als Frau beäugt“

Da habe sie den Respekt auch der älteren Jäger zu spüren bekommen – auch, wenn mancher Waidmann dem Irrtum unterliegt, dass der Hund von ihrem Mann und nicht von ihr ausgebildet worden sei. Nicht im Bekanntenkreis – „Da sind wir alle so modern.“ –, aber „gerade von den Älteren wird man als Frau schon beäugt. Ich bin auf vielen Jagden die einzige Frau.“

Nicht nur dort wird in der Jägerschaft Geselligkeit groß geschrieben. Diese ist auch für Becker wichtig: „Wir sind eine sehr gut eingespielte Gruppe von etwa elf Leuten – darunter noch eine weitere Frau. Wir machen gemeinsame Ansitze und sitzen dann häufig noch im Hof und grillen. Auch bei der Arbeit an den Hochsitzen oder wenn Jagdgäste da sind, ist man gemeinsam draußen. Da kann man auch dummes Zeug schwätzen“, erzählt sie lachend vom Jägerlatein.

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