„Riesiger Berg Probleme“: Landwirte im Vogelsberg klagen über Bürokratie

Die Ernte war gut, die Erlöse steigen, aber neue Vorgaben und Richtlinien machen den Landwirten das Leben schwer – so fassten Verantwortliche des Kreisbauernverbandes im Vogelsberg die Ergebnisse der Ernte 2022 zusammen.
Schlitz - Für die Presse zogen die Landwirte auf dem Betrieb Hans Siebert – „Haennesse“ – in Schlitz-Pfordt im Vogelsbergkreis Bilanz. Eingeladen hatte der Kreisbauernverband Vogelsberg. Auf dem Biobauernhof sahen sich die Akteure gut aufgehoben, denn der Familienbetrieb mit Milch- und Ackerwirtschaft und einem angeschlossenen Beherbergungsbetrieb entspricht zukunftsgerichteter Landwirtschaft.
Für einen erfolgreichen Hof sei es wichtig, erklärte der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Volker Lein, dass er zwei Generationen ernähren könne. „Die Landwirte haben keine Angst vor dem Wetter und vor der Arbeit, aber sie haben Angst vor der Politik“, postulierte Lein eingangs seiner Ausführungen.
Vogelsberg: Ernte gut, aber Landwirte klagen über Bürokratie - „Riesiger Berg Probleme“
Mit den Wetterbedingungen des Jahres 2021 zeigte sich Lein sehr zufrieden. Die Herbst 2021 sei gut gewesen, das Frühjahr habe gute Aussaatbedingungen beschert, und auch der trockene Sommer habe dem Ertrag wenig anhaben können. Bei Wintergerste, Winterraps und Winterweizen fuhren die Bauern gute Ernten ein, aber je weiter das Jahr fort schritt, desto besorgter wurden die Landwirte.
Bei Silomais, Kartoffeln und Rüben waren dann die Erträge deutlich unter dem Durchschnitt, und auch beim Grünschnitt fielen der dritte und vierte Schnitt aus, bemerkte Lein, „der Regen kommt da zu spät“. Von den vergangenen fünf Jahren seien vier trocken gewesen, und wenn dies so weitergehe, sieht Lein „einen riesigen Berg Probleme“ auf die Bauern zukommen (lesen Sie auch hier: „Staubtrocken bis in 1,50 Meter Tiefe“: Landwirte der Region Fulda in Sorge - Ernteerträge sinken).
Ein Problemberg werde aber auch schon jetzt durch politische Entscheidungen geschaffen. Durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU würden ständig neue Vorgaben geschaffen, „die dankenswerterweise von Herrn Özdemir für dieses Jahr ausgesetzt wurden“, wie Lein erklärte.
Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes beklagte zum Beispiel, dass Prämien für ökologisches Bewirtschaften gekürzt werden sollten und politische Vorgaben unklar oder gar widersprüchlich seien wie die, dass man zwar die Tierhaltung in der EU reduzieren wolle, gleichzeitig aber verstärkt auf organischen Dünger aus Gülle setzen wolle.
Zudem setze die zunehmende Bürokratie die Bauern unter Druck. So kamen später auch Fälle zur Sprache, bei denen Landwirte auf Fördermöglichkeiten verzichteten, weil sie die Formalitäten zu zeitraubend und schwierig empfanden.

Auch stünden die Landwirte unter verschärfter Kontrolle, wie Ronny Mohr, beim Kreis zuständig für Landwirtschaft und Agrarförderung, berichtete. Durch ein luft- beziehungsweise satellitengestütztes Flächenmonitoring werde erfasst, welche Feldfrüchte die jeweiligen Landwirte anbauten.
Die Verlässlichkeit der Politik ist bei jedem Erntegespräch Thema“, räumte Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak ein. Aber auch für das Amt für Landwirtschaft kämen die Vorgaben „von oben“ oft sehr kurzfristig. Mischak erinnerte an die kritische Situation ab Mitte Juni, als kein Wasser mehr aus Bächen und Flüssen entnommen werden durfte.
Das sei früher als sonst gewesen und habe sicher auch den Landwirten zugesetzt. Der CDU-Politiker versicherte, dass man nicht den Unterschied zwischen „guter und schlechter Landwirtschaft“, sprich ökologischen und konventionellen Landbau, machen wolle. Beim Thema PV-Anlagen wünschte er sich, dass diese vor allem auf landwirtschaftlich weniger interessanten Flächen errichtet werden sollten.
Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) bekundete, das er die Sorgen und Nöte der Landwirte aus eigener Erfahrung kenne. So wandte er sich auch dem Uferrandstreifen zu, die gerne auch von der Stadt erworben werden würden. Bei diesem Thema sei die Stadt „immer sehr offen“, wie Gastgeber Siebert beitrug. Siemon nannte die Renaturierungsmaßnahmen an den Altarmen in Üllershausen und Nieder-Stoll, die den Gewässerschutz unterstützten.
Video: Bauern beklagen unterdurchschnittliche Ernte und warnen vor neuen Belastungen
„Grundsätzlich war die Ernte viel besser als in den vorangegangenen Jahren“, gab Lothar George Geschäftsführer der Raiffeisen Waren Alsfeld-Kirchhain seinen Eindruck wieder. Dies betreffen besonders die Qualität der Feldfrüchte, die 14 Tage früher eingebracht werden konnten als üblich.
Einen Engpass vermutete George im nächsten Jahr beim Dünger. Dort prognostizierte er steigende Preise. Eine gute Ernte hatte auch Kreislandwirt Andreas Kornmann. Dabei bezog er sich vor allem auf seine Erbsen, die gut mit Trockenheit zurecht kämen.