Der Taufstein mit dem Wappen der Grafen von Schlitz (Vogelsbergkreis), der im Juni 1862 unter einer Schutthalde neben der Kirche wiederentdeckt und zurück in die Kirche gebracht worden war, wurde in seiner ursprünglichen Form und Farbgebung wiederhergestellt und gestalterisch mit einer goldenen Schale aufgewertet. Im Bodenbereich wurden die glänzenden unzeitgemäßen Schwabenröder Kacheln durch Sandsteinplatten ersetzt. Die Fenster im Chorraum wurden mit grünlichem, geschichteten und verklebten Floatglas verblendet.
Rückblende: Dass die Kirche heute überhaupt noch steht, hat sie übrigens couragierten Gemeindegliedern zu verdanken. Nachdem 1859 der Großherzogliche Kreisbaumeister Horst zu Alsfeld die Kirche für so baufällig erklärt hatte, dass sie polizeilich geschlossen werden musste und Gottesdienste in einem Schulzimmer gehalten wurde, kam es noch viel dicker.
So war es Graf Carl von Schlitz, der am 2. Januar 1860 den Vorschlag machte, die Kirche abzureißen und nicht wieder aufzubauen. Nicht jeder kleine Ort in der Grafschaft Schlitz brauche eine Kirche, hieß es zur Begründung. Die ganze Gemeinde – so ist es in der Kirchenchronik überliefert – bildete daraufhin eine Baugesellschaft, welche sich zur Bestreitung der Baukosten verpflichtete.
Zurück in die Gegenwart: Nicht nur für Pfarrer Pierre Bouvain ist der am Pfingstmontag, 6. Juni, um 11 Uhr beginnende Festgottesdienst ein bewegender Moment – auch bei den Sandlofser Bürgern ist die Vorfreude sehr groß, nach so langer Zeit die in neuem Glanz erscheinende Kirche wieder in Besitz nehmen zu dürfen.
Während der Pandemie war die Evangelische Kirchengemeinde Sandlofs, so dies aufgrund der Corona-Bestimmungen möglich war, ins Dorfgemeinschaftshaus ausgewichen. Es fanden Gottesdienste im Pfarrgarten statt. Anlässlich des Erntedankfestes wurde ein Spaziergang unternommen. Und in der Adventszeit gab es Lichterandachten vor der Kirche.
Zum Festgottesdienst werden neben Altbürgermeister Hans-Jürgen Schäfer auch der neue Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) der zuständige Architekt der Kirchengemeinde, Erich Lachmann, der Architekten der Kirchenverwaltung, Joachim Sykala, sowie der aus Hanau stammende Künstler Bruno Sievering-Tornow anwesend sein. Letzterer hatte mit seinem Vorschlag zur Neugestaltung des Chorraumes den Kirchenvorstand überzeugt.
Schon heute gespannt sein darf man außerdem auf das, was Andreas Trabes vom Kirchenvorstand Sandlofs zu berichten hat. Sein Sohn, der in besagtem letzten Gottesdienst im Mai 2018 getauft worden war, ist heute vier Jahre alt.
Um 17.30 Uhr wird zu einem weiteren Höhepunkt in die Sandlofser Kirche eingeladen. So wird die neue Orgel des im Landkreis Marburg-Biedenkopf beheimateten Orgelbauers Kilian Gottwald im Rahmen einer musikalischen Vesper eingeweiht. Die kleine einmanualige Orgel mit drei klingenden Registern, die die Kirche seit 1885 besessen hatte, wurde bereits im Juni 2020 an die Musikschule Schlitz übergeben.
Interessant ist auch hier der Blick in die Annalen: „Bis zum Jahr 1885 war das Singen der gottesdienstlichen Gemeinde in Sandlofs durch den Vorsinger geleitet worden, dessen Amt mit der Schulstelle verbunden war. Da aber fast alle Gemeinden im Schlitzerland eine Orgel besaßen, wollten die Sandlofser nicht zurückstehen und erwarben 1885 eine kleine Kirchenorgel“, schreibt die Kirchengemeinde auf ihrer Website.
Pfarrer Pierre Bouvain wird am 2. Oktober nach 23 Jahren Pfarrdienst verabschiedet und den wohlverdienten Ruhestand antreten. Der in Nordrhein-Westfalen geborene Geistliche, der mit einer Krankenhauspfarrerin verheiratet und Vater einer in Kiel die Fächerkombination Sport und Religion im Lehramt studierenden Tochter ist, wird im November dieses Jahres 66 Jahre alt. Wenngleich er demnächst aus dem Pfarrhaus in Queck ausziehen muss, will Pfarrer Pierre Bouvain weiterhin Bürger von Schlitz bleiben.
„Schlitz ist schließlich der Ort, an dem meine Frau Petra und ich die längste Zeit unseres Lebens verbracht haben“, nennt er als plausiblen Grund. Pfarrer Pierre Bouvain war durch seinen Zivildienst nach Hessen gekommen, hatte hier studiert und war, bevor er nach Schlitz kam, lange Jahre als Pfarrer in Friedberg tätig. (von Mirko Luis)