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Vogelsbergkreis größter Erzeuger von erneuerbaren Energien in Mittelhessen

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Von: Walter Kreuzer

Knapp 20 Windenergieanlagen stehen im Bereich Berngerode bei Rimbach und den angrenzenden Gebieten der Nachbargemeinden.
Knapp 20 Windenergieanlagen stehen im Bereich Berngerode bei Rimbach und den angrenzenden Gebieten der Nachbargemeinden. Weitere Windenergieanlagen für Standorte im Schlitzerland befinden sich im Genehmigungsverfahren oder sind in Planung. © Walter Kreuzer

Im Vogelsbergkreis wird jährlich mehr als doppelt so viel Strom durch erneuerbare Energien erzeugt als im Landkreis verbraucht wird. Das geht aus Zahlen hervor, die jetzt Ausschüssen der Regionalversammlung Mittelhessen präsentiert wurden.

Vogelsberg - In den fünf mittelhessischen Landkreisen liegt der Vogelsberg damit klar an der Spitze. Im gesamten Regierungsbezirk wurden 2020 etwa 58 Prozent des Strombedarfs von gut 5000 Gigawattstunden (GWh) durch Windkraft, Photovoltaik, Bioenergie und Wasserkraft erzeugt. Mit etwa 500 Gigawattstunden ist der Stromverbrauch im Vogelsberg vergleichsweise gering. Er steuert jedoch 38 Prozent des in Mittelhessen erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien bei.

Vogelsberg: Kreis größter Erzeuger von erneuerbaren Energien in Mittelhessen

Den Löwenanteil davon liefern die Windenergieanlagen (WEA), die insbesondere in den Höhenlagen des Vogelsberges errichtet wurden. Um allerdings die von Bund und Land gesetzten Ziele der Energiewende zu erreichen, wird ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energiequellen notwendig sein. Vor diesem Hintergrund sind aktuelle Gesetzesänderungen zu sehen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen sollen.

Die Gremien der Regionalversammlung befassten sich jetzt damit. Zur Sprache kam auch eine Statistik über in den vergangenen acht Jahren in Mittelhessen abgeschlossene Genehmigungsverfahren für WEA. Demnach wurde 2016 mit 84 Anlagen das Maximum erreicht, seither sind es insgesamt lediglich 55. Derzeit sind 131 Anlagen im Verfahren für 42 Vorhaben. Weitere 55 Projekte sind in Vorbereitung.

Erneuerbare Energien

Gesetzliche Neuregelungen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien:

– Seit dem 1. Februar ist ein „Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land“ in Kraft. Teilweise schon am 1. Januar in Kraft getreten ist das „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“. Enthalten sind unter anderem die Änderungen von verschiedenen Vorschriften wie etwa der Paragrafen 245e und 249 des Baugesetzbuches oder des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG)

– Für jedes Bundesland ein Flächenbeitragswert. Dieser nennt den Anteil der Landesfläche, die bis Ende 2027 beziehungsweise Ende 2032 als Windvorrangfläche zur Verfügung gestellt werden soll. Für Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland sind dies 2032 jeweils 1,8 Prozent, bei den Stadtstaaten jeweils 0,5 Prozent. Für die übrigen Bundesländer liegt der Wert bei zwei Prozent oder darüber.

– Für Hessen liegt der Flächenbeitragswert 2027 bei 1,8 und 2032 bei 2,2 Prozent der 21 115,64 Quadratkilometer Landesfläche. Allerdings: Bereits aktuell sind hierzulande 1,9 Prozent der Fläche ausgewiesen.

– Das Erreichen dieser Flächenvorgabe hat Auswirkungen darauf, ob es bei der bestehenden Ausschlusswirkung von im Regionalplan festgelegten Windvorranggebieten bleibt. Diese bedeutet, dass außerhalb dieser Flächen in Hessen keine Windenergieanlagen (WEA) errichtet werden dürfen.

– Bei Nichterreichen der Flächenbeitragswerte bis zum Stichtag tritt eine Privilegierung von WEA ein. Solche könnten dann außerhalb von Vorranggebieten errichtet werden, sofern öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Diese Einschränkung hat „nahezu Auschlusswirkung“.

– Privilegierung für Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff, wenn die Anlagen zu bestehenden WEA oder zu privilegierten Photovoltaik-Freiflächenanlagen hinzukommen.

–Klarstellung zur optisch bedrängenden Wirkung von WEA, die regelmäßig nicht anzunehmen ist bei einem Abstand von größer/gleich zweifacher Anlagenhöhe. In der Praxis sind dies bei modernen WEA etwa 500 Meter (Quelle: Regierungspräsidium Gießen)

Zwei davon betreffen das Schlitzerland. So liegt dem Regierungspräsidium ein „neuer Antrag für zwei WEA in den Gemarkungen Rimbach und Queck vor. Hier sind die Antragsunterlagen noch unvollständig“, heißt es in einer Antwort des Regierungspräsidiums (RP) auf eine Anfrage der Redaktion. Gemeint sind die seit Längerem diskutierten Windräder, die ein Projektierer am Lochberg errichten möchte.

Abgesehen von noch fehlenden Unterlagen ist hier ein Normenkontrollverfahren beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel anhängig, das von der Stadt gegen das Land angestrengt wurde. Inwieweit die geänderten Rahmenbedingungen den Ausgang des Prozesses und letztlich des Verfahrens beeinflussen, bleibt abzuwarten. Laut dem RP ist zudem „ein weiter Antrag für den Windpark Unter-Wegfurth für Sommer diesen Jahres angekündigt“.

Eine andere Statistik des RP zur Windkraft in Mittelhessen verdeutlicht, dass sich die Leistung der einzelnen Windräder in der jüngeren Vergangenheit erheblich nach oben entwickelt hat. Laut der oberen Landesbehörde haben die in Mittelhessen errichteten 474 Anlagen eine Leistung von 947,96 Megawatt (MW).

Windkraft deckt Verbrauch im Vogelsberg doppelt ab

Im Durchschnitt dieser älteren und neueren WEA wird mit 2000 Volllaststunden pro Jahr gerechnet, das Ergebnis entspricht rechnerisch dem Verbrauch von 473 980 Drei-Personen-Haushalten. Allein die 30 WEA, die in den fünf Landkreisen vor der Inbetriebnahme stehen, bringen es den Angaben zufolge auf 131,95 MW Leistung – und sollen bei 3000 Stunden Volllast den Strom für 98 962 Haushalte im Jahr produzieren.

Genehmigungsfähig sind WEA nur in den im Regionalplan Mittelhessen ausgewiesenen Vorranggebieten. Diese sollen nach den Vorstellungen der schwarz-grünen Landesregierung zwei Prozent der Fläche Hessens ausmachen. In der Praxis sind die Gebiete allerdings ungleichmäßig verteilt. So sind im Landkreis Fulda, der zum Regierungsbezirk Kassel gehört, weite Teile der Rhön wegen des Status’ als Unesco-Biosphärenreservat sowie der südliche Landkreises ausgespart.

Doch auch in Mittelhessen gibt es große Unterschiede. Die 127 Vorranggebiete machen hier insgesamt ein Prozent der Fläche aus. Im Vogelsbergkreis sind es gut 1,6 Prozent – das entspricht 2396 Hektar – , in Marburg-Biedenkopf noch gut ein Prozent, im Landkreis Gießen dagegen nur etwa 0,3 Prozent des Gebietes. Ausgelastet sind diese Gebiete längst nicht: 38 Vorranggebiete werden nicht genutzt, in 15 sind WEA im Genehmigungsverfahren. 58 Prozent der Gebiete (74 Flächen) sind bereits mit WEA bestückt.

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